Kammergericht Berlin: Angeklagter mutmaßlicher iranischer Spion will sich reinwaschen
Von Christian Zimmermann*
Nach deutschem Recht kann ein Angeklagter dem Gericht und der Öffentlichkeit jede Geschichte auftischen, mit der er sich als unschuldig darstellen will. So ist es gerade vor dem Staatsschutzsenat im Kammergericht Berlin geschehen. Die bisherigen Zeugenvernehmungen ergeben ein sehr anderes Bild von Tätern und Opfern der iranischen Spionagetätigkeit in Deutschland.
Es geht um den Fall Maysam P. Die Verteidigung hat von Beginn an versucht, die Ausspähung des Nationalen Widerstandsrates Iran, von der auch dessen Unterstützer betroffen sind, zu bagatellisieren. Die Opfer werden zu Tätern gemacht, deren Ausforschung zu verstehen sei und keiner Bestrafung bedürfe. Als handele es sich nicht um ein staatlich-iranisch organisiertes System klassischer Spionage mit Registratur, Steuerungs- und Verbindungsmännern sowie bezahlten Agenten, sondern um die harmlose Aushorchung bekannter Dissidenten durch entwurzelte sozial schwache iranische Männer, die um 30 Jahre alt sind. Symptomatisch war die Antwort auf die Frage des Gerichtes nach dem Wert der Informationen. Danach waren alle Angaben nichts als unbedeutende private Mitteilungen.
Tatsächlich belegt die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift sowie in ihrem Plädoyer den Tatbestand der Spionage für eine ausländische Macht gegen Geldzahlungen in beträchtlicher Höhe. Der Schaden ist erheblich: es werden Bewegungsprotokolle erstellt, innere Strukturen der Widerstandsorganisationen aufgedeckt, vertrauliche politische Inhalte ausspioniert, mit denen dann Öffentlichkeit, Politik und Institutionen manipuliert werden. Darüber hinaus werden Personen des iranischen Widerstandes, aber auch ihre Unterstützer unter Druck und in Gefahr gesetzt. Die Abhörprotokolle belegen sehr wohl die ernsthafte Spionage für eine ausländische Macht, die mit den dadurch gewonnenen Erkenntnissen Politik macht, zu deren Zielen es gehört, jede Opposition zu eliminieren oder wenigstens mundtot zu machen.
Auch die am 12. Juli gemachten ausführlichen Einlassungen des Angeklagten Maysam P. machten klar, dass es hier, von allen persönlichen Umständen abgesehen, um gewerbsmäßige Spionage geht. Einer seiner Beweggründe war das Geld: für einmalige Informationen über die Oppositionellen hat er beträchtliche Summen erhalten.
Im Zuge der Verhandlungen wurde von der Verteidigung immer wieder versucht, die Ausgespähten zu Tätern zu machen, die eine Ausspähung rechtfertigten, weil sie Terroristen seien. Diese haben sich aber selbst mit zwei Zeugen und eingereichten und zu den Akten genommenen Dokumenten gewehrt. Nicht nur die Einschätzung ihres Anliegens, sagten sie, sei falsch, bestehe weitgehend aus stereotypen Unterstellungen und sei bereits durch Gerichte als Unrecht beschieden worden, sondern mit ihr werde die Verletzung ihrer Grundrechte sowie die ihnen drohende Gefahr für Sozialstand, Leib und Leben bagatellisiert.
Mit den Versuchen, P.’s Taten und deren Hintergründe zu verniedlichen und zu verharmlosen, soll nicht nur eine vom Bundesanwalt beantragte dreijährige Haftstrafe verhütet, sondern auch die umfangreiche Spionagetätigkeit des Iran in Deutschland vernebelt werden. Das darf nicht passieren, sondern es sollte gerichtlich festgestellt werden, um was es sich tatsächlich handelt, nämlich eben um professionelle Spionage.
Hierfür spricht nicht nur der Prozessverlauf, sondern das belegt auch eine in der vorletzten Woche erschienene Veröffentlichung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wonach die Spionagetätigkeit des Iran in Deutschland zunimmt. Entgegen seinen vertraglich gegebenen Zusagen verstärkt das iranische Regime sein Bemühen, Atomtechnologie einzukaufen. Das Regime will jede Kritik unterdrücken und nimmt dazu große Anstrengungen auf sich.
Mit seiner verstärkten vertragswidrigen Auslandsspionage schadet das Regime nicht nur seiner Reputation, sondern unterläuft auch alle Friedensbemühungen. Das Spionagesystem funktioniert nach dem von jeder Diktatur bekannten Muster: es geht darum, Oppositionelle auszuschalten, indem man sie anwirbt und für Spionagedienste entlohnt. Mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen werden andere Oppositionelle massiv bedroht und zum Schweigen gebracht. In diese Machenschaften werden auch Familienangehörige, Freunde und Bekannte einbezogen. Das System der Spionage ist umfassend und brutal.
Im Prozess versuchte der Angeklagte, die iranische Registratur, die Führungsoffiziere und Verbindungsmänner zu verharmlosen. Sie seinen seine Helfer und Retter gewesen, gerade in einer Situation, in der er den Halt an seiner Familie verloren habe. Die Hilfe des Regimes wurde zu persönlichen Almosen umgelogen. Der Angeklagte behauptete, seine Ausspähung der Opposition sei harmlos und unbedeutend gewesen. Deshalb, so die Verteidigung, sei nur eine Bewährungsstrafe akzeptabel.
Im Kontext der gesamten Umstände, der politischen Lage im Nahen Osten, des Verhaltens des Regimes der Opposition und den westlichen Gesellschaften gegenüber erscheint der Prozess als Fanal, das das iranische Regime und seine Machenschaften grell beleuchtet. Das Gericht sollte in seiner Urteilsfindung den Kern des Problems erkennen und mit seinem Spruch deutlich machen, dass Spionage gegen Geld für ein ausländisches und äußerst problematisches Regime, dass durch Menschenrechtsverletzungen und Terrorismus auffällt, ein Unrecht ist, für das die Drahtzieher ebenso wie der Angeklagte deutlich als Verantwortliche bezeichnet werden. Das Gericht muss klar sagen, was in Deutschland nicht geht und deshalb klar verfolgt und verurteilt wird.
*Christian Zimmermann, Mitglied des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg im DJV, ist ehrenamtlicher Vertreter izahlreicher Nichtstaatlichen Organisationen für Menschenrechtsfragen, Flüchtlingsprobleme und gegen Antisemitismus. Er ist Leiter des Büros für Menschenrechte und Minderheitenangelegenheiten.