Amnesty International 2016/17 Iran

Amnesty International 2016/17 Iran

Jahresbericht von Amnesty International 2016/17:
Schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran


Herausgegeben am 22. Februar 2017


‚Die Politik der Diskriminierung’ verbreitet Angst und Spaltung


Amnesty International legt seinen Jahresbericht 2016/17 vor: „Der Zustand der Menschenrechte in der Welt“. Er enthält die umfassendste Beschreibung des Zustands der Menschenrechte überall auf der Welt; berücksichtigt werden 159 Länder. Ein Aspekt: Im Jahre 2016 ließen Regierungen Kriegsverbrechen zu, schlossen Verträge ab, mit denen das Asylrecht untergraben wird, verabschiedeten Gesetze, die die Meinungsfreiheit beschränken, riefen zum Mord an Personen auf, die wegen Drogengebrauchs verurteilt wurden, ließen Folter und Bespitzelung von Massen zu und betrieben drakonische Polizeieinsätze. Sie wandten sich gegen Flüchtlinge und Migranten, wodurch diese oftmals zu Sündenböcken gestempelt wurden. Der Jahresbericht von Amnesty International dokumentiert, daß 36 Länder gegen das Völkerrecht verstießen, wenn sie widerrechtlich Flüchtlinge in Länder zurück schickten, in denen ihre Rechte gefährdet waren.


Es folgt der dem Iran gewidmete Teil:


Islamische Republik des Iran

Der Iran ließ in einer Woche 19 Personen hinrichten, darunter Minderjährige. Der Iran ist das Land der Henker und der Steinigung von Frauen. UND: Hassan Rouhani ist ein gewaltiger Lügner und Täuscher.

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Die iranischen Behörden unterdrückten massiv das Recht der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, das Recht auf friedliche Versammlung und die Religionsfreiheit; sie verhafteten und verurteilten in ihren Revolutionsgerichten nach kraß unfairen Verfahren friedliche Kritiker.

Folter und andere Mißhandlung der Häftlinge blieben üblich und verbreitet; wer sie anwandte, blieb ungestraft.

Es wurden weiterhin Auspeitschung, Amputation und andere grausame Bestrafungen angewandt. Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten wurden diskriminiert und verfolgt.
Den Frauen und Mädchen begegneten Gewalttätigkeit und Diskriminierung. Die Behörden machten reichlichen Gebrauch von der Todesstrafe. Sie führten hunderte von Hinrichtungen durch, davon einige in der Öffentlichkeit. Mindestens zwei jugendliche Delinquenten wurden hingerichtet.


HINTERGRUND

Die iranische Revolution beging ihren 38. Jahrestag – 38 Jahre lang Unterdrückung der Medien.

Im März erneuerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen das Mandat des Besonderen Berichterstatters der Vereinten Nationen zur Lage der Menschenrechte im Iran. Weiterhin verweigerte die Regierung dem Besonderen Berichterstatter die Einreise in den Iran; sie verhinderte auch die Einreise anderer Menschenrechts-Experten der Vereinten Nationen.

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Die Regierung und die Europäische Union sprachen über die Möglichkeit, erneut einen Dialog über die Menschenrecht zu eröffnen.


INTERNATIONALE AUFMERKSAMKEIT

Der Ausschuß der Vereinten Nationen zu den Rechten des Kindes erstellte seine dritte und vierte Übersicht über den Iran; er kritisierte die fortgesetzte Hinrichtung von jugendlichen Delinquenten und die Auswirkung öffentlicher Hinrichtungen auf Kinder, die sie miterlebten. Ferner kritisierte er die gegen Mädchen und Kinder, die religiösen und ethnischen Minderheiten angehörten, gerichtete Diskriminierung, außerdem das niedrige Alter, in dem besonders Mädchen strafrechtlich verfolgt werden können.

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MEINUNGSFREIHEIT, VEREINS- UND VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Weiterhin unterdrückten die Behörden die Meinungsfreiheit, die Vereinsfreiheit und die Freiheit der friedlichen Versammlung, die willkürliche Verhaftung friedlicher Kritiker aufgrund vager Vorwürfe, sie hätten gegen die nationale Sicherheit verstoßen.

Zu denen, die aufs Korn genommen wurden, gehörten Menschenrechtsanwälte, Journalisten, Rechtsanwälte, Blogger, Studenten, aktive Gewerkschaftsmitglieder, Filmemacher, Musiker, Dichter, für die Frauen Engagierte, für die Rechte der ethnischen und religiösen Minderheiten Engagierte sowie Personen, die an für die Umwelt eintretenden bzw. gegen die Todesstrafe vorgehenden Kampagnen beschäftigt waren.
Gegen Ende des Jahres traten viele aus Gewissensgründen Inhaftierte in den Hungerstreik, um gegen ihre ungerechte Haft zu protestieren und derart die Mißstände der iranischen Straf-Justiz zu enthüllen.

Die Behörden verstärkten ihre gegen Menschenrechtsanwälte gerichtete Repression; sie verurteilten sie wegen ihrer friedlichen Tätigkeit zu langen Haftstrafen.

Die Gerichte zitierten zunehmend die Kritik, die – in Verbindung mit internationalen Menschenrechtsorganisationen, besonders dem Besonderen Berichterstatter der Vereinten Nationen zum Iran und ausländischen Menschenrechts-organisationen wie Amnesty International – von den sozialen Netzwerken an der Menschenrechtslage des Iran geübt wurde, als Beweis „verbrecherischer“ Tätigkeit, die die nationale Sicherheit bedrohe.


Die Regierung des Iran verhaftet neun Christen wegen ihres Gottesdienstes.

Die Behörden unterdrückten auch musikalischen Ausdruck, indem sie Konzerte störten und verboten, darunter einige, die vom Ministerium für Kultur und islamische Leitung genehmigt worden waren; sie unterdrückten Unternehmungen wie private Parties, an denen beide Geschlechter teilnahmen, als „sozial pervers“ oder „unislamisch“; im Zusammenhang damit wurden hunderte verhaftet und zur Auspeitschung verurteilt.

Die Behörden unterwarfen weiterhin alle Medien der Zensur, störten Sendungen des ausländischen Satellitenfernsehens; sie schlossen oder verboten Zeitungen wie „Bahar“ und „Ghanoun“ und zwangen das für die Rechte der Frauen eintretende Magazin „Zanan-e Emrooz“, seine Veröffentlichung einzustellen.

Im Februar wurden „What’s App“, „Line“ und „Tango“ auf die Liste gesperrter sozialer Netzwerke gesetzt, auf der sich bereits „Facebook“ und „Twitter“ befanden. Die Einheit der Revolutionsgarden, die „Cyber-Verbrechen“ bekämpft, schloß hunderte von „Telegram“- bzw. „Instagram“-Accounts und verhaftete bzw. verhörte die Verwalter von mehr als 450 Gruppen und Kanälen von „Telegram“, „What’s App“ und „Instagram“, darunter mehrere hundert Modedesigner und Angestellte von Butiken – all dies Maßnahmen zur massiven Unterdrückung von sozialen Medien, die als „Bedrohung der moralischen Sicherheit“ angesehen wurden.

Wie der Iran das Internet zensiert

Die verbotene „Vereinigung iranischer Journalisten“ forderte Präsident Rouhani in einem offenen Brief vergebens auf, mit Rücksicht auf sein während der Wahlkampagne von 2013 gegebenes Versprechen ihr Verbot aufzuheben; 92 Gruppen von Studenten forderten den Präsidenten auf, die Universitäten von dem Würgegriff der Angst und Repression zu befreien. Die Behörden verweigerten der Lehrer-Gewerkschaft des Iran die Erneuerung ihrer Lizenz und verurteilten mehrere ihrer Mitglieder zu langjährigen Haftstrafen – aufgrund von Vorwürfen wie „Mitgliedschaft in einer illegalen Gruppe“.

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Weiterhin unterdrückten die Behörden friedliche Demonstrationen und behandelten die Demonstranten mit Schlägen und willkürlicher Verhaftung. Zahlreiche Personen wurden wegen „Zusammenrottung gegen die nationale Sicherheit“ verurteilt, nur weil sie an friedlichen Demonstrationen teilgenommen hatten.

Ein neues Gesetz, betreffend politische Delikte, wurde im Januar verabschiedet und trat im Juni in Kraft; es kriminalisiert jeden Ausdruck, von dem angenommen wird, daß er „gegen die Leitung des Landes, seine politischen Institutionen und seine Innen- und Außenpolitik“ gerichtet und in der Absicht unternommen worden sei, „den Zustand des Landes zu reformieren, auch ohne die Grundlage des Establishments verletzen zu wollen“.


FOLTER UND SONSTIGE MISSHANDLUNGEN

Folter und sonstige Mißhandlung der Häftlinge blieb weiterhin an der Tagesordnung – besonders während der Verhöre; die Folter wurde primär zur Erzwingung von „Geständnissen“ eingesetzt.

Häftlinge des Geheimdienstministeriums und der Revolutionsgarden wurden routinemäßig einer auf Folter hinauslaufenden Einzelhaft unterworfen.

Die Behörden unterließen es regelmäßig, Beschwerden über Folter und andere Mißhandlungen nachzugehen; manchmal bedrohten sie die sich Beschwerenden mit weiterer Folter und rigorosen Gerichtsurteilen.

Weiterhin ließen die Richter „Geständnisse“, die von der Folter erzwungen worden waren, als gegen den Angeklagten gerichtete Beweismittel zu, obwohl solche Geständnisse nach dem Strafprozeßrecht von 2015 unzulässig sind.

In diesem Gesetzbuch fehlt die Angabe des Verfahrens, dem Richter und Ankläger folgen müssen, um über Folterbeschwerden zu entscheiden und sicher zu stellen, daß Geständnisse freiwillig erfolgt sind. Andere Vorkehrungen des Gesetzbuches wie z. B. die Vorschrift, die das Recht des Inhaftierten auf Zugang zu einem Anwalt – nach der Verhaftung und während des Ermittlungsverfahrens – betreffen, wurden häufig in der Praxis ignoriert, was die Anwendung der Folter erleichterte.

Justizbehörden, besonders das Amt des Anklägers und Gefängnisbehörden, verweigerten den politischen Gefangenen, auch den aus Gewissensgründen Inhaftierten, oftmals Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung. Es geschah oft in der Absicht, die Häftlinge zu bestrafen oder „Geständnisse“ zu erzwingen.

Im Juni verstarb der inhaftierte Nader Dastanpour im Gewahrsam infolge von Mißhandlungen, die ihm nach Zeugnis seiner Angehörigen in einer Teheraner Polizeistation während der Folter zugefügt wurden. Es wurde von keiner unabhängigen Ermittlung berichtet.


Grausame, unmenschliche bzw. erniedrigende Bestrafung

Weiterhin verhängten die Justizbehörden grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen; sie bestanden in Folter, Auspeitschen, Blendung und Amputation – zum Teil in der Öffentlichkeit ausgeführt.

Im April gab der öffentliche Ankläger von Golpayegan (Provinz Isfahan) bekannt, ein Mann und eine Frau seien „einer illegitimen Beziehung“ überführt und beide zu je 100 Peitschenhieben verurteilt worden.

Im Mai teilte der öffentliche Ankläger der Provinz Qazvin mit, die Behörden hätten 35 junge Frauen und Männer „wegen Tanzes und Vermischung bei einer Examensfeier, in halbnacktem, alkoholisiertem Zustand“ verhaftet und binnen 24 Stunden wegen Handlungen, die „mit der Keuschheit unverträglich gewesen seien und die öffentliche Meinung irritiert hätten“, verurteilt.

Die Behörden führten an ihnen allen die Strafe von 99 Peitschenhieben durch, zu der sie an demselben Tage während einer besonderen Anhörung vor Gericht verurteilt worden waren.

In der Provinz West-Aserbaidschan führten die Behörden von zwischen 30 und 100 Hieben an 17 Bergarbeitern durch, die sich an einer Demonstration gegen die Arbeitsbedingungen und gegen die Entlassung von Arbeitern in der Goldmine „Agh Darreht“, geschehen im Jahre 2014, beteiligt hatten.

Im Juni verurteilte ein Strafgericht in der Provinz Yazd neun Bergarbeiter zur Auspeitschung von zwischen 30 und 50 Hieben.

Die Welle der Repression und Drangsalierung, die sich gegen private Parties richtet, hält an.

Im Juli verurteilte ein Berufungsgericht den Journalisten und Blogger Mohammad Reza Fathi zu 459 Hieben – wegen angeblicher „Veröffentlichung von Lügen“ und Schaffung von Unruhe im öffentlichen Bewußtsein durch seine Schriften.

Im November wurden einem Mann in Teheran beide Augen geblendet – Vergeltung der Blendung eines vier Jahre alten Mädchens im Juni 2009.

Einige Häftlinge, darunter Mojtaba Yasaveli und Hossein Zareyian, müssen immer noch mit der Blendung rechnen.

Ärzte, die mit der „Organisation für Gerichtsmedizin des Iran“ verbunden sind, legten dem Obersten Gericht einen „fachlichen“ Rat vor, auf welche Weise die Vollstreckung von Blendungsurteilen tunlich durchzuführen sei – ein Verstoß gegen die medizinische Ethik.

Im April amputierten die Justizbehörden des Zentralgefängnisses von Mashhad einem Mann, der wegen bewaffneten Raubes verurteilt worden war, vier Finger der rechten Hand und die Zehen des linken Fußes.

Archivfoto: Iranische Sicherheitskräfte mißhandeln eine Frau wegen mangelhafter Verschleierung.

Dieselben Behörden amputierten im Mai einen anderen des Raubes bezichtigten Mann.

Im August gab ein Justizbeamter in Teheran bekannt, einige Männer hätten Berufung eingelegt, nachdem sie zur Amputation von vier Fingern einer Hand verurteilt worden seien.

Im Dezember amputierten die Justizbehörden im Zentralgefängnis von Urumieh vier Finger der rechten Hände zweier Brüder, die des bewaffneten Raubes bezichtigt wurden.


UNFAIRE GERICHTSVERFAHREN

Die Verfahren, einschließlich derer, die mit Todesurteilen endeten, verliefen im allgemeinen unfair. Die Justiz war nicht unabhängig.

Besonders wurde das Sondergericht für die Geistlichkeit und die Revolutionsgerichte weiterhin dem Druck der Sicherheits- und Geheimdienstkräfte ausgesetzt, der dem Zweck galt, die Angeklagten zu harten Strafen zu verurteilen.

Funktionäre, die die Gewalt der Justiz ausübten, darunter solche vom Geheimdienstministerium und den Revolutionsgarden, verstießen regelmäßig gegen die Vorkehrungen des Strafprozeßrechts von 2015.

Dazu gehörten die Vorkehrungen, die das Recht auf Zugang zu einem Anwalt von dem Zeitpunkt der Verhaftung an und während der Ermittlung sowie das Schweigerecht schützen.

Verteidigern wurde häufig der volle Zugang zu den Gerichtsakten verweigert; bis kurz vor dem Verfahren hatten sie oft keinen Zugang zu ihren Mandanten.

Untersuchungshäftlinge wurden vor dem Verfahren oft in langer Einzelhaft gehalten – mit wenig oder gar keinem Zugang zu Angehörigen und Anwälten.

„Geständnisse“, die von der Folter erzwungen worden waren, galten oft während des Verfahrens als Beweismittel. Die Richter blieben oft vernünftige Urteilsbegründungen schuldig; die Justiz machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich.

Die Argumente, die die iranischen Behörden zur Verteidigung von Amputationen vorbringen, lassen empörende Unmenschlichkeit erkennen.

Der Ankläger stützte sich auf Art. 48 des Strafprozeßrechts, um Häftlingen den Zugang zu Anwälten ihrer Wahl zu verweigern. Er gab vor, diese befänden sich nicht in der Liste der vom Leiter der Justiz gebilligten Anwälte, obwohl eine offizielle Liste überhaupt nicht vorlag.

Einige ausländische Staatsbürger und Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft wurden im Evin-Gefängnis in Teheran mit geringem oder gar keinem Zugang zu ihren Angehörigen, Anwälten und Konsularbeamten, festgehalten.

Diese Häftlinge wurden wegen vager Vorwürfe wie „Zusammenarbeit mit einer feindlichen Regierung“ nach kraß unfairen Verfahren vor Revolutionsgerichten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Die Behörden beschuldigten die Häftlinge, in ein vom Ausland gesteuertes „Infiltrationsprojekt“ verwickelt zu sein, welches den „sanften Sturz“ des Iran betreibe. In Wirklichkeit gingen die Urteile auf friedliche Ausübung des Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zurück.