Syrien: Die Entscheidung über einen Militärschlag steht bevor

Die Chemiewaffen-Experten haben Syrien verlassen und sollen Ban-Kimoon Bericht erstatten

Wien/Damaskus/London/Dubai - UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon teilte mit, dass die Inspekteure, die zur Untersuchung des mutmaßlichen Giftgaseinsatzes nach Syrien geflogen sind, das Land verlassen haben. Die Chemiewaffen-Experten würden ihm Bericht erstatten, sobald sie Syrien verlassen hätten.

Die Inspekteure der Vereinten Nationen setzten am Donnerstag und Freitag ihre Suche nach Spuren von Giftgas im Umland der syrischen Hauptstadt Damaskus fort. Gegner des Regimes von Präsident Baschar al-Assad meldeten, das Team sei erneut in die Ortschaft Samalka im Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija gefahren, wo es schon am Vortag Untersuchungen vorgenommen hatte. Die Experten hätten noch weitere Proben von Überlebenden nehmen wollen, hieß es.

Ban sagte, er habe am Mittwoch mit US-Präsident Barack Obama gesprochen. Es sei unter anderem darum gegangen, wie man die Untersuchungen beschleunigen könnte. „Ich habe auch meinem ernsthaften Wunsch Ausdruck verliehen, dass das Untersuchungsteam seine Arbeit fortsetzen kann“, sagte Ban. Er habe Obama versichert, dass die Inspekteure alle Ergebnisse mit der Staatengemeinschaft teilen würden.

Die syrische Opposition forderte die Inspekteure auf, ihren Bericht möglichst bald vorzulegen. Die Nationale Syrische Koalition erklärte am Donnerstag in Istanbul, die Experten sollten „die Wahrheit schneller ans Tageslicht bringen und der ganzen Welt präsentieren“.

Großbritannien verlegt unterdessen sechs Kampfjets vom Typ Eurofighter Typhoon nach Zypern. Allerdings handle es sich um eine rein defensive Maßnahme, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Donnerstag in London. Die Flugzeuge würden nicht auf der Mittelmeerinsel stationiert, "um an irgendeiner Militäraktion gegen Syrien teilzunehmen". Es sei eine reine Vorsichtsmaßnahme zum Schutz britischer Interessen und Stützpunkte "in einer Zeit erhöhter Spannungen in der weiteren Region".

Zypern liegt 200 Kilometer von der syrischen Küste entfernt. Mit den Jets, die auf der britischen Basis Akrotiri stationiert werden, sollen nach Angaben des Ministeriumssprechers ausschließlich Luft-Luft-Einsätze geflogen werden. Ihre Aufgabe wäre es somit also, Ziele in der Luft – und nicht etwa am Boden – zu treffen.

Iran droht bei US-Eingreifen mit Zerstörung Israels

Falls die Alliierten ohne ein UN-Mandat zu einer Strafaktion losschlagen sollten, sei Deutschland durch die in der Türkei stationierten Patriot-Abwehrraketen und die Soldaten in Nato-Aufklärungsflugzeugen betroffen. Wie man sich verhalten solle, müsse dann beraten werden. Die Linkspartei hat bereits einen Rückzug der Bundeswehr-Einheit aus der Türkei gefordert.

Unterdessen hat der Iran vor einer Zerstörung Israels im Falle eines US-Militärschlags gegen Syrien gewarnt. „Ein Angriff auf Syrien würde die unmittelbare Zerstörung Israels bedeuten“, sagte der Chef der mächtigen Revolutionsgarden, Mohammed Ali Dschafari, in einem Interview der Nachrichtenagentur Tasnim. Zugleich drohte er den USA mit verheerenden Folgen für sie selbst. Syrien würde zu einem „gefährlicheren und tödlicheren Schlachtfeld als der Vietnam-Krieg“ und „zum zweiten Vietnam für die Vereinigten Staaten“.

 

Assads Streitkräfte gehörten zu den stärksten der arabischen Welt

  • Truppenstärke

In der Theorie verfügen die Streitkräfte über 178.000 Soldaten, davon 110.000 beim Heer, 36.000 bei der Luftabwehr, 27.000 bei der Luftwaffe und 5000 bei der Marine. 2009 wurde die Truppenstärke noch auf 325.000 Mann geschätzt, davon 220.000 beim Heer. Überläufe, Desertionen und Verluste hätten die Zahl reduziert, schreiben die IISS-Experten. Einige Brigaden seien auch "verschwunden", weil sie als politisch wenig verlässlich betrachtet worden seien.

  • Ausrüstung

Das Material der Streitkräfte stammt überwiegend aus Russland oder noch aus der Sowjetunion. Vor den Kämpfen verfügte das Heer über 4950 Panzer. Die Zahl sei inzwischen deutlich reduziert, schätzt das IISS. Das Kommando für das beachtliche Raketenarsenal befindet sich in Aleppo im Norden des Landes. Die Marine hat zwei Fregatten zur Verfügung. Bei der Luftwaffe gibt es zwar noch 365 Kampfjets. Ein großer Teil der Luftflotte sei aber vermutlich nicht richtig einsatzbereit, heißt es in der Bestandsaufnahme des Instituts. Von den Kämpfen am wenigsten geschwächt sei vermutlich die Luftabwehr. Die Kapazität wird auf tausende Boden-Luft-Raketen aus russischer Produktion geschätzt, darunter auch einige modernere Waffen.

Der Israel-feindliche Iran ist der wichtigste regionale Verbündete der syrischen Führung. Er hat den syrischen Rebellen vorgeworfen, hinter dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff in der vergangenen Woche zu stecken, bei dem Hunderte Menschen umgekommen sein sollen. Die syrische Opposition sieht dagegen Präsident Baschar al-Assad als Verantwortlichen.

Tasnim veröffentlichte das Dschafari-Interview am späten Mittwochabend. Am Donnerstag fanden sich die Zitate in zahlreichen iranischen Medien. Tasnim wurde 2012 ins Leben gerufen und widmet sich nach eigener Darstellung der "Verteidigung der Islamischen Revolution gegen negative Medienpropaganda".