Iran-Deutschland: Berechtigte Bedenken
UMGANG MIT IRAN - Menschenrechte vor Wirtschaftsrechte stellen – Rohanis Besuch in Deutschland ablehnen und iranisches Regime isolieren
Von Otto Bernhardt*
Der SPIEGEL berichtet, dass die Große Koalition derzeit in Berlin uneins ist, ob sie den iranischen Präsidenten Hassan Rohani empfangen sollte oder nicht. Während Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (der bereits vor einigen Monaten mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Teheran reiste) den Besuch befürwortet, verweist Kanzlerin Angela Merkel laut SPIEGEL auf die Verwicklungen des iranischen Regimes mit der terroristischen libanesischen Hisbollah und die Hinrichtungen im letzten Jahr im Iran – nach Angaben des SPIEGEL 750, in Wirklichkeit höchstwahrscheinlich erheblich mehr, da viele Hinrichtungen geheim erfolgen und in den iranischen Medien nicht erwähnt werden.
Die Geschichte des Umgangs mit Diktaturen des Mittleren Ostens zeigt, dass es grundfalsch ist, menschenverachtende, fundamentalistische oder terroristische Machthaber zu beschwichtigen und ihnen die Hand zu schütteln. Sowohl der Umgang der EU mit dem Irak unter Nouri al-Maliki als auch der mit dem syrischen Diktator Bashar Assad hat weder wirtschaftliche Früchte getragen noch hat er für die Menschen und die betreffenden Länder eine stabilisierende Wirkung gehabt. Der Irak steckt heute im Bürgerkrieg und aus Syrien fliehen hunderttausende Menschen. Die Ergebnisse dieser inkonsequenten Politik westlicher Länder sehen wir heute in der Flüchtlingskrise. Diese Politik und ihre Resultate sind vor unserer Haustür angekommen und wir werden einen hohen Preis dafür zahlen, mit einer Radikalisierung der Völker Europas, gewaltigen Kosten und mit einem Schaden für den Mittleren Osten, der über Jahrzehnte zu spüren sein wird.
Der Umgang mit menschenrechtsverletzenden Regimen ist in einer globalen Wirtschaft belastet. Deutschland unterhält zum Beispiel intensive Wirtschaftsbeziehungen mit China (Handelsvolumen über 70 Milliarden Euro) und auch mit Russland existieren enge Wirtschaftsbeziehungen. Es ist schwer zu entscheiden, wann wirtschaftliche Notwendigkeit unsere Moral und unsere Wertvorstellungen so tief beugt, dass wir nur noch mit schlechtem Gewissen in den Spiegel schauen können.
Im Fall Iran ist die Frage jedoch nicht so schwierig, wie es aussehen mag. Die deutsche Wirtschaft hatte auch zu den Zeiten der Iran-Sanktionen Hochkonjunktur. Die DAX-Konzerne erzielten Rekordgewinne und der Arbeitsmarkt ist wie das Haushaltsbudget so stabil wie seit langer Zeit nicht. Die Ölpreise sind niedrig und sinken weiter; außerdem werden Europa und die USA durch ihre wachsende eigene Ölförderung und auf dem Weg zu sauberen Energien immer unabhängiger von den Golfstaaten.
Der Iran braucht Europa für seine Wirtschaft, nicht umgekehrt. Der deutsche Handel wird zu 98% mit anderen Ländern abgewickelt. Es mag zwar verlockend sein, neue Investitionsmöglichkeiten zu erschließen – die iranische Wirtschaft liegt am Boden und die Infrastruktur des Landes muss praktisch neu aufgebaut werden, aber wir müssen auch schauen, wer im Iran eigentlich von der Kooperation mit Deutschland profitiert.
Leider wird das iranische Volk davon am wenigsten profitieren. Die Schlüsselindustrien und alle großen Unternehmen liegen in den Händen der islamischen Revolutionsgarden und der religiösen Stiftungen des geistlichen Führers Ali Chamenei. Die durch die Aufhebung der Sanktionen frei werdenden Mittel werden in diese Taschen wandern und sie werden dazu benutzt werden, das Volk weiter zu unterdrücken, das System der Vetternwirtschaft und Korruption im iranischen Regime zu stärken und den internationalen Terrorismus weiterhin zu fördern.
Denn das iranische Regime unterstützt nicht nur die libanesische Hisbollah, sondern auch zahlreiche terroristische Milizen im Irak, Diktator Assad und seit über 15 Jahren die Huthi-Rebellen im Jemen. Nicht umsonst werden in diesen Ländern die schlimmsten Kriegsgräuel verübt: die terroristisch agierenden Söldner des iranischen Staates destabilisieren diese Länder seit vielen Jahren. Das Erstarken von ISIS und Al-Qaida war eine Reaktion auf diese Söldnerheere der Mullahs. Alle diese Terrorgruppen haben die Region in eine Barbarei gestürzt, die ihresgleichen in der Welt sucht.
Der unverantwortliche Annäherungskurs, in dem der Westen sich gefällt, trägt seinen Anteil an der Katastrophe. Anstatt diesen Diktatoren, auf die unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft verzichten kann, die rote Karte zu zeigen, ihnen konsequent harte Bedingungen zu stellen und ihren Drohungen nicht nachzugeben, haben wir mit einer allzu leichten Vorgehensweise zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen diesen Diktatoren gezeigt, dass wir am Ende doch ihr Verhalten tolerieren werden.
Wir hätten aus dem Fall Südafrika lernen müssen. Ein konsequenter wirtschaftlicher und politischer Boykott hat das Land nicht nur befreit, sondern es zu einer Stabilität gebracht, durch die vernünftige dauerhafte Wirtschaftsbeziehungen möglich sind. In einem Land, wo eine moderate Regierung, ein sicheres Rechtssystem und eine Bevölkerung existieren, die die Institutionen unterstützt, sind stabile Wirtschaftsbeziehungen möglich und sinnvoll.
Aber im Iran brodelt es jeden Tag. Das Volk geht bei fast jedem Anlass auf die Straße. Ungezählte Iraner haben ihren Einsatz mit ihrer Gesundheit und ihrem Vermögen bezahlt; viele der Besten haben das Land verlassen müssen. Die wahren Eliten des Landes, seine Intelligenz, seine Fachkräfte und seine kreativen Köpfe fehlen der Wirtschaft und der Gesellschaft: die nicht vom Regime ermordet worden sind, werden im Gefängnis gequält oder sind außer Landes. Sie kämpfen nun nur noch für einen freien Iran. Ohne sie wird es nicht gehen, ohne sie werden wir keine stabilen Beziehungen mit dem Iran aufbauen können, wirtschaftlich und politisch.
Im Umgang mit dem iranischen Mullah-Staat dürfen wir uns keine Kurzsichtigkeit erlauben. Bei dem gegenwärtigen Kräfteverhältnis ist der Moment gekommen, wo Europa seine Vorbedingungen stellen sollte: Stopp der Hinrichtungen und keine Unterstützung für den Terror. Dazu gehören auch der Rückzug der Truppen aus Syrien und die Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel. Rohani muss zu verstehen gegeben werden: Es gibt globale Sorgen, die mit keinen Milliarden-Aufträgen zu beseitigen sind.
* Otto Bernhardt ist ehem. finanzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Vorsitzender der Hermann-Ehlers-Stiftung sowie DSFI-Vorsitzender.