Hillary Clinton, die anders als ihr Nachfolger John Kerry, noch irgendwie versucht hat, Außenpolitik zu betreiben, warnte gestern zu Recht vor zu schnellen Vorstößen der US-Administration angesichts des Desasters im Irak:
Former US secretary state and potential presidential candidate Hillary Clinton has cautioned against another military intervention. Speaking to the BBC Newsnight programme she said Iraq’s prime minister Nouri al-Maliki should meet a number of preconditions before the US granted him military support. “Maliki has to be willing to demonstrate unequivocally that he is a leader for all Iraqis, not for a sectarian slice of the country,” she said.
Aber, so sieht es aus, einmal mehr wird die Obama Administration die falsche Entscheidung treffen und nun, Monate zu spät, plötzlich überhastet dem so kläglich gescheiterten irakischen Premier zu Hilfe eilen. Der allerdings hat in den letzten Jahren nicht nur die irakische Armee so konfessionalisiert, dass sie de facto zu einer schiitischen Miliz transformiert ist, die in sunnitisch dominierten Städten wie Mosul als Besatzungsmacht wahrgenommen wird, er hat de facto den ganzen Irak in einem iranischen Vasallenstaat verwandelt und im Auftrage Teherans etwa zehntausende von Milizionären nach Syrien entsandt.
Indem sie jetzt dieser Regierung militärische Unterstützung zusagt, ohne auch nur eine Konzession dafür zu verlangen, also mindestens die Bedingung zu stellen, im Gegenzug müsse in Bagdad eine inklusive Notstandsregierung die Amtsgeschäfte übernehmen, an der repräsentativ Vertreter aller Bevölkerungsgruppen beteiligt sind und der Iran müsse außen vorgelassen werden, akzeptiert Washington nicht nur, dass Teheran Revolutionsgardisten in den Irak entsendet, ja das State Department äußert sich gar positiv über diesen Schritt:
We’ve encouraged them to play a constructive role in Iraq,” Ms. Psaki said about the Iranians.
Großzügig erklärt Teheran im Gegenzug, man prüfe eine Zusammenarbeit mit den USA:
„Wir können gemeinsam mit den Amerikanern den Aufstand im Nahen Osten beenden“, sagte ein hochrangiger iranischer Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters unter Hinweis auf die Kämpfe im Nachbarland. „Wir haben großen Einfluss im Irak, in Syrien und in anderen Staaten.“
Sollten die USA es zulassen, dass iranische Truppen im Westirak zum Einsatz kommen, ja ihnen gar noch die Luftwaffe machen, werden dort sich selbst all jene, die bislang gegen ISIS und die mit den Jihadisten verbündeten Anhänger Saddams opponieren, den Jihadisten anschließen. Denn niemand ist dort so verhasst, wie der Iran.
Und Teheran wird am Ende als großer Gewinner dastehen, die USA dagegen als die letzten Idioten, die sich nun im Kampf gegen den Terror mit dem größten Paten aller Terroristen im Nahen Osten verbünden. (Was diese Zusammenarbeit für Folgen für das iranische Atomprogramm und die entsprechen Verhandlungen haben hätte, man möchte es sich gar nicht ausmalen.)
Bislang zumindest haben die Leute von ISIS (die syrische Opposition glaubt ja fest, es handele sich um eine Verschwörung) es geschafft, dass vor allem Iran und sein Verbündeter, Syriens Präsident Assad , von ihnen profitieren.
Wie Dexter Filkins vor einigen Monaten im New Yorker detailliert analysierte, beging, weil sie unbedingt aus dem Irak abziehen wollte, die US-Administration schon vor drei Jahren den Fehler, das Land de facto dem Iran zu überlassen. Bis dahin hatten sie Maliki, der ja eigentlich Verlierer der Wahlen im jahr 2010 gewesen ist, noch einigermaßen unter Kontrolle gehalten:
“We used to restrain Maliki all the time,” Lieutenant General Michael Barbero, the deputy commander in Iraq until January, 2011, told me. “If Maliki was getting ready to send tanks to confront the Kurds, we would tell him and his officials, ‘We will physically block you from moving if you try to do that.’ ” Barbero was angry at the White House for not pushing harder for an agreement. “You just had this policy vacuum and this apathy,” he said. “Now we have no leverage in Iraq. Without any troops there, we’re just another group of guys.” There is no longer anyone who can serve as a referee, he said, adding, “Everything that has happened there was not just predictable—we predicted it.”
Indeed, months before the election, American diplomats in Iraq sent a rare dissenting cable to Washington, complaining that the U.S., with its combination of support and indifference, was encouraging Maliki’s authoritarian tendencies. “We thought we were creating a dictator,” one person who signed the memo told me.
Die Folgen waren, wie man nun sehen kann, fatal. Maliki regierte wie ein Diktator, brachte Kurden und Sunniten gegen sich auf, zerstörte funktionierende Institutionen und lehnte sich immer weiter an den Iran an. Die USA aber stützten ihn weiter, auch wenn immer deutlicher wurde, in welche Abründe seine Regierung den Irak führte. Was aus einem de facto Bündnis der USA mit dem Iran folgen würde, man möchte es sich gar nicht ausmalen.
Al Qaida war im Nahen Osten 2011 de facto geschlagen, alles sah so aus, als würde der Iran zu den großen Verlieren des sog „arabischen Frühlings gehören“. Und nun stehen ISIS und der Iran beide wie die großen Gewinner dar. Nicht weil sie so stark wären oder irgend etwas zu bieten hätten außer Tod und Terror, sondern vor allem auch weil US-amerikanische und europäische Außenpolitik in den letzten Jahren so völlig und auf allen Ebenen versagt haben.
Will man nun wirklich, dass bald Mosul aussieht wie Homs und der Irak sich final in ein Schlacht- und Trümmerfeld verwandelt wird, auf dem ein irrer schiitisch-sunnitischer Krieg zwischen Milizionären ausgefochten wird, die glauben in Gottes Auftrag zu handeln? Dann muss man nur konsequent so weitermachen wie bisher.
Es ginge anders. Auch wenn seine Stimme wohl kaum Gehör finden wird, der ehemalige Berater von Tony Blair, John Mc Ternan schrieb heute im Guardian:
The truth is that the US and UK left Iraq before it was ready, and they left for their own selfish, domestic political reasons. The ordinary Iraqis left behind have never abandoned hope – the turnout at the recent election was greater than the gridlocked Iraqi political class perhaps deserves, and showed a thirst for freedom. Supporting the Middle East’s second full democracy after Israel is still the noble cause it was when I was in No 10 working for Tony Blair, and when I worked in the prime minister’s office in Baghdad. Complex conflicts need strategic patience – the kind that won the cold war. It will take as least as long to rebuild Iraq as it took Saddam Hussein to destroy it. (…)
We have a responsibility to those whose democracy we created. Those who are not utterly silent are sullen, muttering that Blair and Bush caused all this, that there was no al-Qaida in Iraq before 2003. Let’s be clear what that statement really is – bloodless, amoral pragmatism of the type Henry Kissinger excelled in. You might as well say: “Saddam may have been a fascist who inflicted genocide on the Kurds, but at least that kept Iran and the jihadists at bay." That remark would have the merit of being honest.
The truth is that if we do not act now, we will surely act later. Having protected the freedom and autonomy of the Kurds since the Kuwait war, we cannot abandon them now, or leave them dependent on protection from Iran. We have to go back to Iraq to rescue democracy.
Es ginge, Mc Ternan, bringt es auf den Punkt, “to rescue democracy”. Was einigen nach irrem Idealismus klingen mag, ist in Wirklichkeit die einzige realistische Alternative zu der sich anbahnenden Katastrophe. „Democracy“ ist im Bündnis mit dem Iran so wenig zu haben, wie sie es mit Saddam Hussein oder Assad zu haben ist. Sie kann nur gegen sie durchgesetzt werden.
Nun zu glauben, mit dem Iran und vielleicht auch Assad ließe sich der Irak befrieden oder Al Qaida besiegen, dagegen ist schlicht verrückt.