Frauen im Iran: Getarnte Moralpolizei
ZDF – heute.de: Die Kleidung muss sitzen, und es darf kein auffälliges Make-Up zu sehen sein. So wollen es die Moralwächter in Iran. Bislang waren sie an Uniformen zu erkennen, jetzt sind sie auch zivil unterwegs, um zu prüfen, ob Frauen die Bekleidungsvorschriften einhalten.
(Foto: dpa)
Beim Autofahren lässt die Teheranerin Susan Heidari ihr Kopftuch seit kurzem nicht mehr lässig auf die Schultern fallen. Die 22-Jährige, die gerne auffallendes Make-up trägt, zieht das Tuch jetzt immer fest über ihr dunkles Haar, denn sie hat Angst vor einer neu gegründeten Einheit der Moralpolizei. Deren Mitglieder arbeiten verdeckt, sie tragen keine Uniform. "Jeder Mann und jede Frau könnte ein Mitglied der Einheit sein", erklärt Heidari. "Vielleicht haben mich Zivilpolizisten schon wegen starken Make-ups gemeldet."
Viele Iranerinnen verzichten auf Tschador
Der Teheraner Polizeichef Hossein Sadschedinia gab kürzlich bekannt, dass seine Behörde 7.000 Beamte in einer neuen Zivilstreifeneinheit einsetze. Sie nahm ihre Arbeit in der vergangenen Woche auf und soll auf wichtigen Straßen und Kreuzungen in der iranischen Hauptstadt gegen Verstöße wie Belästigung von Frauen, übermäßiges Hupen und zu laute Motoren vorgehen.
Kritiker befürchten jedoch, dass sich die Einheit vor allem darauf konzentrieren wird, die von der Regierung vorgeschriebene islamische Kleiderordnung durchzusetzen. Diese sieht vor, dass sich Frauen von Kopf bis Fuß züchtig bedecken. …
Iranerinnen, vor allem jüngere, verzichten heutzutage häufig auf den langen schwarzen Tschador und tragen stattdessen schicke Kleider und modische Kopftücher. Immer öfter wagen sie es, ihr Kopftuch im Auto auf die Schultern gleiten zu lassen. Der einflussreiche Ayatollah Ali Mowahedi Kermani spielte kürzlich in einer Freitagspredigt auf diese Entwicklung an und erklärte, es könne nicht Freiheit genannt werden, wenn Frauen ohne Schleier am Steuer säßen.
Beamten der Moralpolizei waren gut zu erkennen
Bislang war es vergleichsweise einfach, Schwierigkeiten wegen der Kleidung zu umgehen: Die Beamten der Moralpolizei trugen normalerweise dieselbe dunkelgrüne Uniform wie reguläre Polizisten und waren auf den Straßen gut erkennbar. Sie verschafften dem Recht Geltung, indem sie Kopftücher als Geschenke verteilten, Verwarnungen aussprachen oder als übermäßig betrachtetes Make-up direkt durch Beamtinnen entfernen ließen.
Schlimmstenfalls kam die Missetäterin vor Gericht und musste mit einer Strafe von umgerechnet bis zu 220 Euro rechnen. Oder sie wurde auf eine Polizeiwache gebracht und musste dort ausharren, bis ihre Familie schriftlich erklärte, dass ein solcher Verstoß nicht wieder vorkommen würde. Asiseh Schirasi, Mutter von zwei studierenden Töchtern, sagt, angesichts der neuen Zivilpolizei sorge sie sich um die beiden. "Wenn sie tagsüber nicht auf meine Anrufe reagieren, pocht mein Herz schneller." …