Er stammt aus Pakistan und soll für den Iran spioniert haben: Seit Mittwoch steht ein 31-Jähriger vor Gericht, der im Verdacht steht, mögliche Anschlagsziele in Berlin erkundet zu haben. Ziel sollen israelische oder jüdische Einrichtungen gewesen sein. Von Ulf Morling (Quelle: RBB 24)
Vor dem Berliner Kammergericht hat am Mittwoch der Prozess gegen einen pakistanischen Studenten begonnen, der für den Iran spioniert haben soll. Dabei stellten die Ermittler umfangreiche Präsentationen und Bild-Material vor, die der 31-Jährige während seiner Tätigkeit erstellt haben soll.
Auf einem Foto steht ein Mann am Fenster einer Wohnung, daneben eine Frau und ein kleines Mädchen. Bildunterschriften erklären in der PowerPoint-Präsentation mit insgesamt 22 Fotos, dass es sich bei dem abgebildeten Mann um Reinhold Robbe handelt. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Fotos entstanden, war der heute 62-Jährige Abgeordneter der SPD im Bundestag. Seine weiteren Funktionen: Wehrbeauftragter des Bundestags und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
Mutmaßlicher Spion beobachtete auch die SPD-Zentrale
Eine andere Präsentation zeigt die Bundesparteizentrale der SPD in der Kreuzberger Wilhelmstraße. Auf 79 Folien wird detailliert beschrieben und gezeigt, wie das Haus "massiv" überwacht und von der Polizei frequentiert wird. Zur Tiefgarage gäbe es "nur begrenzte Zufahrtsmöglichkeiten", schreibt der mutmaßliche Spion.
Weitere umfangreiche Dokumentationen habe Hayder S. zu anderen möglichen Anschlagszielen in Berlin gefertigt, so die Bundesanwaltschaft: zum Redaktionssitz der "Jüdischen Allgemeine", dem DGB-Haus in Schöneberg und dem Sitz der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Mitte.
Verdächtiger studierte Computer-Technologie
Der Angeklagte war als Student nach Deutschland gekommen, wohnte in der Hansestadt Bremen bei seiner Freundin und studierte Computer-Technologie. Spätestens ab Juli 2015 soll er für die Elite-Einheit der iranischen Revolutionsgarden, die Quds-Einheit, spioniert haben. Alle Informationen soll er übers Internet per Dropbox an Mittelsmann Mehmut und in den Iran weitergegeben haben.
"Vorbereitende Maßnahmen für einen Tag X"
Dem Studenten wird geheimdienstliche Agententätigkeit zur Last gelegt. Die Quds-Einheit agiert unabhängig vom eigentlichen Geheimdienst im Iran. Anfang der 90er-Jahre wurden sie laut Eigendarstellung "zur Befreiung Palästinas vom Zionismus" gegründet. Die "islamische Revolution schiitischer Prägung" sollte auch im Ausland unterstützt werden. Die Einheit gilt als Geheimdienst im Geheimdienst.
Die akribischen Aktionen und die Ausspähung möglicher Anschlagsziele durch den Angeklagten in Berlin und Paris seien "vorbereitende Maßnahmen für einen Tag X gewesen", sagte ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes am ersten Prozesstag. Dabei sei die Tätigkeit darauf ausgerichtet gewesen, Ziele für mögliche Anschläge gegen israelische oder jüdische Einrichtungen und
deren Repräsentanten auszuforschen. Allerdings habe es noch keine konkreten Anschlagsziele gegeben. Auf den angeklagten 31-jährigen Studenten sei man durch einen Hinweis "aus einer vertrauenswürdigen Quelle" aufmerksam geworden.
Auch in Paris wurde Hayder S. aktiv
Auch in Paris zeigte sich der Student als eifriger Spion für den Iran, so die Ermittler. Im August 2015 nahm er im Hostel "Blue Planet" Quartier und kundschaftete die in der Nähe gelegene renommierte Wirtschaftshochschule "Ecole Supérieure de Commerce de Paris" (ESCP) aus. Im Fadenkreuz des mutmaßlichen Spions: Prof. Daniel Rouach, unter anderem Präsident der Französisch-Israelischen Handelskammer. In diesem Zusammenhang wurden 300 Fotos und 25 Videos aufgenommen.
Insgesamt beschlagnahmten die Ermittler bei der Festnahme von Hayder S. in Bremen am 5. Juli 2016 über 25 Speichermedien mit einer Datenmenge von 2,5 Terabyte. Allein elf PowerPoint-Präsentationen beschrieben mögliche Anschlagsziele.
Angeklagter schweigt
Genau 2.052 Euro soll der angeklagte Student als Agentenlohn erhalten haben. Eine der Überweisungen über Western Union sei auf das Konto eines Kommilitonen erfolgt, um die Spionage des Hayder S. zu verschleiern - davon sind die Ermittler überzeugt. "Mindestens diesen Betrag" habe er erhalten. Mehr könne man nicht nachweisen.
Zum Prozessauftakt im Hochsicherheitssaal des Kammergerichts schwieg der Angeklagte. Seine beiden Verteidiger weisen darauf hin, dass sein Schweigen nicht Ausdruck einer Konfliktverteidigung sei. Ihr Mandant habe unter Umständen einfach nur Angst. Die Bundesanwaltschaft sieht die Beweislage als erdrückend an. Das Gericht kündigt an, bei einem umfassenden Geständnis eine Haftstrafe von höchstens drei Jahren und sechs Monaten zu verhängen.
An den folgenden sechs Prozesstagen werden Ermittler des Bundeskriminalamtes BKA, aber auch die mutmaßlichen Opfer der Ausspähungen durch den Angeklagten aussagen: Sowohl der SPD-Politiker Reinhold Robbe als auch Daniel Rouach aus Paris werden als Zeugen erscheinen.
(Beitrag von Ulf Morling http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/03/berlin-kammergericht-prozess-gegen-iranischen-spion.html)