Am Samstag fand im Berliner Velodrom ein Treffen des Nationalen Widerstandsrats Iran statt, zu dem nicht nur Tausende Exil-Iraner gekommen waren, sondern auch prominente Politiker aus aller Welt. Aus Deutschland reisten unter anderem die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), der frühere Kanzlerberater Horst Teltschik und der SPD-Europapolitiker Günter Verheugen an.
Mit dabei war auch der ehemalige Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani. Die Huffington Post sprach mit ihm über Frauenrechte, die Atom-Gespräche mit Iran und warum er das Regime in Teheran mit Hitler-Deutschland vergleicht.
Huffington Post: Mr. Guliani, die meisten Deutschen kennen sie noch als Bürgermeister von New York. Weshalb engagieren sie sich nun für die iranische Opposition?
Rudy Giuliani: Es gibt viele Gründe dafür der wichtigste: Im Irak gibt es eine Reihe von iranischen Oppositionellen, die von unserer Regierung im Stich gelassen wurden. Man hat ihnen Papiere gegeben, die sie unter Schutz der US-Regierung stellen sollten, unterzeichnet von amerikanischen Offizieren. Einige Politiker und Prominente, darunter Patrick Kennedy, Howard Dean und ich, haben in den vergangenen vier, fünf Jahren eine Unterstützergruppe für diese Menschen ins Leben gerufen. Wir haben auch für sie mit den Vereinten Nationen und mit dem amerikanischen Außenministerium verhandelt.
Außerdem geht es um den Weltfrauentag. Es geht darum ein Zeichen zu setzen, welche Macht Frauen haben könnten in Bezug auf die Reformierung des fundamentalistischen Islams.
(Fragt nach) Was denkt ihr, wie viele Leute sind hier? 20.000 Menschen?
Sie sagen 14.000 Frauen und etwa 6.000 Männer.
HuffPost: Was ist ihre Botschaft in Bezug auf Frauenrechte?
Giuliani: Es geht um den Schaden, den der islamistische Extremismus in Bezug auf die Frauenrechte anrichtet. Wenn mir über islamistischen Extremisten reden, dann meistens nur über Terrorismus und Gewalt. Klar, das ist wichtig. Aber natürlich unterdrücken sie auch Frauen. Jeden Tag.
Sie schlagen sie, verbrennen sie, in manchen Ländern ist es Frauen verboten, Autos zu fahren. Sie müssen härtere Urteile fürchten und werden sogar bestraft, wenn sie selbst vergewaltigt werden. Als im Iran der neue Staatspräsident Hassan Rohani gewählt wurde, hat er angekündigt, für mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu sorgen. Dann gab es ein Statement von Ajatollah Khamenei, wonach der Koran das angeblich nicht erlaube.
HuffPost: Sie halten die Regierung in Teheran für ein fundamentalistisches Regime?
Giuliani: Ja. Ich glaube, dass die Regierung in Teheran eines der beiden wohl gefährlichsten Regimes der Welt ist. Vielleicht sogar das gefährlichste, Nordkorea wäre das andere. Sie haben mehr amerikanische Staatsbürger getötet als jede andere Gruppierung, die mir einfällt. Faktisch kontrollieren sie derzeit den Irak, die New York Times hat darüber am Freitag berichtet.
Außerdem kontrollieren sie Assad in Syrien. Der Ajatollah lebt gerade seine dschihadistischen Träume von einem Großreich aus. Dieses Reich würde aus Iran, dem Irak, Syrien und Jemen bestehen und in Opposition bestehen zu Saudi Arabien, Jordanien, Ägypten, den Vereinten Arabischen Emiraten und natürlich Israel.
HuffPost: Stichwort Israel: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat kürzlich vor dem US-Kongress eine Rede gehalten und vor einem „nuklearen Holocaust" gewarnt. Halten sie solche Ängste für realistisch?
Giuliani: Sicherlich möchte ich nicht Atomwaffen in den Händen eines Geisteskranken sehen. Ich glaube, dass der Ajatollah und seine Mullahs geisteskrank sind. Wenn uns Geschichte eines gelehrt hat, dann doch die Worte von Verrückten ernst zu nehmen. Wir haben Hitler nicht ernst genommen, und Neville Chamberlain hat mit ihm in München ein Abkommen geschlossen, das dem ganz ähnlich ist, das Obama gerade mit Iran anstrebt.
Es war nicht einmal das Papier wert, auf dem es geschrieben war, ein Jahr später hat Hitler Polen überfallen. Ich kann mir nicht vorstellen, warum Obama glaubt, dass der Ajatollah nun ausgerechnet dieses Abkommen einhalten sollte, wenn er sich vorher an kein anderes Abkommen gehalten hat. Und ich habe keine Ahnung, weshalb unser Präsident dem Iran irgendwelche atomaren Kapazitäten zugestehen sollte.
Bedenken Sie: Warum sollte Iran ein Atomkraftwerk brauchen? Das Land verfügt über Vorräte an Gas und Öl, die etwa für die kommenden 300 Jahre reichen würden. Der einzige Grund ist, dass sie dieses Wissen in kurzer Zeit militärisch nutzbar machen können. Man muss schon ziemlich dumm sein, um das zu übersehen.
HuffPost: Vielleicht will Iran ja tatsächlich nur eine preiswerte Energiequelle erschließen. Eine Kilowattstunde Atomstrom ist etwa sechzig Prozent billiger als eine Kilowattstunde Strom, die aus Erdgas erzeugt wird.
Giuliani: Atomkraftwerke sind sehr, sehr teuer im Bau. Der Ölpreis ist gerade so niedrig, dass es kaum mehr wahrnehmbar ist. Wenn sie also dieses Argument jetzt bringen willen, ist dies der wohl denkbar schlechteste Zeitpunkt. Atomenergie wird erst nach vielen Jahren der Nutzung billiger, wenn die Kosten des Kraftwerks sich amortisiert haben, und wenn gleichzeitig der Ölpreis hoch ist. Und wo sind eigentlich jetzt gerade die ganzen Umweltschützer, die immer gegen die Nutzung von Atomenergie protestiert haben? All die linken Aktivisten in Amerika? Haben die sich alle versteckt?
HuffPost: Nach unbestätigten Berichten liegt derzeit ein Vorschlag auf dem Tisch, wonach Iran seine Uran-Zentrifugen weitere zehn Jahre nutzen darf, sich aber strengen Kontrollen fügen muss. So soll vorerst verhindert werden, dass die Anlagen militärisch genutzt werden können. Was denken sie über den Vorschlag?
Giuliani: Der Plan ist dumm. Iran zu vertrauen ist dumm. Im Handeln des Ajatollahs und seiner Mullahs gibt es seit der iranischen Revolution rein gar nichts, was dazu geeignet gewesen wäre, Vertrauen zu schaffen. Heute werden in Iran mehr Menschen getötet als noch vor ein paar Jahren.
Erst gestern wurde eine Frau hingerichtet. Rohani tötet mehr Menschen als sein Vorgänger Ahmadinedschad. In den zehn Jahren, die jetzt veranschlagt sind, könnte das Regime weiterhin seine atomaren Anlagen nutzen und das Uran bis zu einem gewissen Grad anreichern.
HuffPost: Manche Beobachter glauben, dass die derzeitigen Versuche einer Entspannungspolitik der Tatsache geschuldet sein könnten, dass auch Iran den Islamischen Staat im Irak und in Syrien bekämpft. Der Kampf gegen den IS könnte zumindest zu einer indirekten Zusammenarbeit zwischen dem Westen und Iran führen.
Giuliani: Es wäre ein schrecklicher Fehler, Iran mehr Kontrolle über den Irak zuzugestehen. Wenn wir ISIS ausschalten wollen, sollten wir das mit der Hilfe unserer Alliierten tun: Mit Jordanien, Saudi Arabien und den Emiraten. Andernfalls könnte der Irak zu einem Vasallenstaat des Iran werden. Es wäre extrem dumm. Ungefähr so, wie Schach zu spielen ohne über den nächsten Zug nachzudenken.
HuffPost: Was sollte denn Ihrer Meinung nach getan werden, um Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu bauen?
Giuliani: Wir sollten die Sanktionen verschärfen. Es würde ihnen das Genick brechen. Aus genau diesem Grund hält Saudi Arabien derzeit auch den Ölpreis so niedrig, das ist zumindest meine Vermutung. Die Saudis können das eine Zeit lang verkraften, es ist ein reiches Land. Anders als Iran.
Und wir sollten dem Regime in Teheran sagen, dass wir zu Verhandlungen bereit sind, wenn die Atomanlagen abgebaut werden. Wenn Iran bereit ist, die nukleare Infrastruktur zu vernichten und die Unterstützung von terroristischen Gruppierungen einstellt, politische Gefangene freilässt und mit der Misshandlung von Frauen aufhört, wenn sich Iran also wie ein modernes Land verhält und nicht wie eine Nation aus dem Jahre 680, dann können wir uns gut unterhalten.
HuffPost: Was glauben sie, was die deutsche Bundesregierung in dieser Situation tun sollte?
Giuliani: Ich hoffe, dass die heutige Veranstaltung dazu führt, dass Deutschland noch mehr Flüchtlinge aus der Region aufnimmt.
HuffPost: Sie sind auf Einladung des Nationalen Widerstandsrates Iran in Berlin. Die Organisation gilt zwar als die größte und wichtigste Oppositionsgruppierung, ist aber nicht unumstritten. Die ebenfalls im Rat organisierten Volksmodschahedin waren bis 2009 in Europa und bis 2012 in Amerika als terroristische Vereinigung eingestuft. Weshalb engagieren sie sich für eine solche Organisation?
Giuliani: Die Entscheidung, dass die Volksmodschahedin überhaupt auf die Terrorliste gekommen sind, war höchst fragwürdig. Selbst der Direktor des FBI hat sich dagegen gewehrt. Das alles ist Ende der 90er-Jahre passiert, als der damalige US-Präsident Bill Clinton das iranische Regime beschwichtigen wollte.
Amerikanische Gerichte haben geurteilt, dass es keinen Grund dafür gebe. Warum sollte der Rat eine terroristische Organisation sein? Dann sind es die Revolutionäre in Ägypten und Libyen auch.