Das Zögern der US-Regierung in Irak ist klug, vor allem weil sich ihr Handeln in diesem Krisenland unweigerlich auf die Atomgespräche mit Iran auswirkt.
Der Schlüssel zur Irak-Krise liegt in Teheran. Iran ist der Hauptalliierte der Regierung des seit acht Jahren amtierenden Nuri al-Maliki, der immer mehr Macht an sich gerissen hat. Das Zweistromland ist so polarisiert, dass es jetzt, zweieinhalb Jahre nach dem Abzug der USA, wieder in einem Bürgerkrieg steckt. Nichts weniger ist es, was sich da abspielt. Die Terrortruppe Islamischer Staat in Irak und der Levante (Isil) beschleunigt das seit Monaten zunehmende Chaos. Die Kämpfe sind mehrheitlich getragen von sunnitischen Stammes-Milizen, die die Gelegenheit ergriffen haben, den Aufstand gegen die verhasste Zentralregierung zu wagen.
Es geht beim Aufstand gegen die Regierung Maliki um höchst unterschiedliche Anliegen. Da sind Fundamentalisten,die einen sunnitischen Gottesstaat wollen. Das ist die Minderheit. Da sind vor allem Anhänger und Funktionsträger des alten Saddam-Regimes, die an Irak als Gesamtstaat von Arabern und Kurden, von sunnitischen und schiitischen Muslimen wie von Christen glauben. Sie protestieren seit Jahren, weil Maliki den gemeinsamen Staat zerstört. Sie wollen den Einfluss Teherans zurückfahren. Sie wollen nicht, dass ihr Land Brückenkopf Irans im Syrienkonflikt wird.
Die US-Regierung ist von Maliki wiederholt gebeten worden, militärisch in Irak einzugreifen. Auch Teheran hätte, entgegen der offiziellen Propaganda nichts dagegen, wenn US-Jets die sunnitischen Provinzen im Westen und Norden angriffen. Es wäre ein Pakt, der nichts weniger täte, als die seit 35 Jahren gültige Logik des amerikanisch-iranischen Konflikts auf den Kopf zu stellen.
Washington zögert aber, obwohl Isil zweifelsohne eine internationale Gefahr darstellt. Schon jetzt verfügt die aus der Al Qaida in Irak hervorgegangene Gruppe über genug Mittel, um Terroristen für Anschläge in der ganzen Welt auszubilden und auszustatten. Die USA zögern, weil nicht ersichtlich ist, wie ihnen in kurzer Zeit mit Luftschlägen gelingen soll, was in acht Jahren mit Hunderttausenden GI am Boden nicht zu erreichen war. Und weil die USA Gefahr liefen, zum Helfershelfer Malikis und Irans zu werden.
Zwar wünscht sich die Regierung von US-Präsident Barack Obama, den eingeleiteten Prozess der Annäherung mit Teheran fortzusetzen. Der ist nötig, um den Konflikt um Irans Atomprogramm ohne Waffengang zu lösen. Aber ein Pakt mit dem Teufel namens Mullah-Regime, der gemeinsamesmilitärisches Handeln bedeuten würde, wäre absurd. Iran ist nicht nur Malikis Sponsor, sondern hat den Aufstieg von Isil verschuldet: Teherans massive Unterstützung des Assad-Regimes mit Geld, Waffen und Truppen hat immer neues Öl in die Flammen des Syrienkriegs geschüttet.
Ließe Teheran Maliki fallen, wäre dies ein enorm positiver Schritt. Bisher aber sieht es leider nicht danach aus. Die USA tun daher gut daran, sich so zu positionieren, dass sie sich von niemandem vereinnahmen lassen. Eine ausdrückliche Loslösung von Maliki, der ab morgen im Parlament versuchen will, seine dritte Amtszeit klarzumachen, ist nötig: Der Westen wird sich in den Atomgesprächen wegen der Irakkrise nicht erpressen lassen! Bei den Wiener Gesprächen, die Mittwoch weitergehen sollen, hat es bisher ohnehin keine Fortschritte gegeben. Die USA können nur stabilisierend einwirken, in der Hoffnung, dass die innerirakischen Kräfte eine Befriedung unter sich aushandeln. Das wird eher Monate als Wochen dauern. Auch die letzte Regierungsbildung hat – ohne von akuten Kriegshandlungen begleitet gewesen zu sein – zehn Monate gedauert.
Erschienen in der Printausgabe der Rheinpfalz (30.06.2014)