Keine Deals ohne Fortschritt bei Menschenrechten

Keine Deals ohne Fortschritt bei Menschenrechten

Ex-EU-Kommissare: Keine Deals mit Iran ohne Fortschritte bei Menschenrechten

Von: Jorge Valero
EurActiv.com - Die ehemaligen Kommissare Karel de Gucht und Louis Michel sind gegen Bestrebungen der EU, Geschäfte mit dem Iran abzuschließen. Jegliche Deals sollten an Menschenrechtsbedingungen geknüpft werden. EurActiv Brüssel berichtet.

De Gucht und Michel drängen die EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten in einem Schreiben, Menschenrechtsfortschritte über neue Handelsverträge mit dem Regime zu stellen. “Jedwede zukünftige Beziehung zum Iran müsse von deutlichen Fortschritten im Bereich der Menschenrechte und der Abschaffung von Hinrichtungen abhängen, schreiben sie in ihrem von EurActiv eingesehenen Brief. Die Zahl der Exekutionen im Land zeichne “das schreckliche Bild einer geplanten staatlichen Tötungsmaschinerie”, wiederholen die Ex-Kommissare die Worte Amnesty International vom Juli 2015.
Beide Politiker haben die EU-Außenbeziehungen der letzten zehn Jahre geprägt: der ehemalige Handelskommissar de Gucht (2010 bis 2014) und Ex-Entwicklungskommissar Michel (2004 bis 2009), Vater des belgischen Premierministers Charles Michel. Ihr Aufruf könnte ihren ehemaligen Arbeitgeber in Verlegenheit bringen.


Das Schreiben verweist weiterführend auf die engen Beziehungen des Landes mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und der Hisbollah. Letztere wird von der EU noch immer als Terrorgruppe eingestuft. Der Iran unterdrücke ethnische Minderheiten, dränge Frauen an den Rand der Gesellschaft, könne keine freien, fairen Wahlen garantieren und schikaniere einige der EU-Mitgliedsstaaten, warnen de Gucht und Michel.


Im vergangenen April sagte Präsident Hassan Rohani einen Staatsbesuch in Österreich ab, nachdem sich die österreichische Regierung geweigert hatte, eine zu dieser Zeit stattfindende friedliche Oppositionskundgebung zu verbieten. “Die iranische Bevölkerung und die Opposition können  ihre Meinung nicht frei äußern. Wir sollten nicht zulassen, dass die Unterdrückung des Regimes bis in die EU-Hauptstädte reicht”, heißt es in dem Schreiben.


Eine neue Ära bricht an
De Gucht und Michel verfassen ihr Anliegen in einer Zeit, in der die EU-Hauptstädte versuchen, eine “neue Ära” der bilateralen Teheran-Beziehungen einzuleiten. Im Jahr 2016, geprägt von einer schwächelnden Wirtschaft, politischen Turbulenzen, Spannungen mit Russland und einer hohen Terrorwarnstufe, war das Atomabkommen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft eine bisher selten gute Nachricht. Nachdem die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen über das Atomprogramm des Irans aufgehoben wurden, reisten im April acht Kommissare zu einem richtungsweisenden Staatsbesuch nach Teheran – an ihrer Spitze die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.
“Wir schlagen ein neues Kapitel auf”, versprach diese vor Ort. “Als Europäer wünschen wir uns, dass das iranische Volk sieht, wie die Vorteile dieses Abkommens ihr Alltagsleben verändern”, betonte sie. “Ich bin mir sicher, dass mir meine Kollegen der Kommission zustimmen werden, wenn ich sage, dass ich hier im Namen der 500 Millionen Europäer spreche, die eine neue Ära in unseren Beziehungen unterstützen.” Der Staatsbesuch legte den Grundstein für weitere Zusammenarbeit und soll dringend benötigte Investitionen in die iranische Luftfahrt und Energieindustrie mobilisieren.
Der Neustart der Beziehungen scheint jedoch weder Rücksicht auf die rekordartigen Hinrichtungszahlen im Land zu nehmen, noch auf die bestehenden EU-Sanktionen, die ursprünglich aufgrund der schlechten Menschenrechtslage und den Beziehungen zu Terrororganisationen verhängt wurden. Im März verwies die UN auf zunehmend schlimmere Hinrichtungspraktiken und “fundamentale Fehler” in der Justizverwaltung.


Ebenso wie de Gucht und Michel beklagen auch NGOs und Europaabgeordnete, dass Menschenrechtsfragen nur eine Nebenrolle beim EU-Staatsbesuch im Iran gespielt hätten. Es sei nur ein sehr kurzer Eintagesbesuch mit “sehr spezifischem Ziel” gewesen, hatte damals ein EU-Vertreter angeführt.