Das erstaunliche an dem überraschenden Erscheinen von Maryam Radjavi bei dem Kongress der Exil-Iraner zum Thema „Toleranz und Gleichstellung" an diesem Wochenende im Berliner Velodrom ist nicht ihr Auftritt selbst, auch nicht ihre Rede und auch nicht die beinahe personenkulthafte Verehrung, die ihr zuteil wird. Tatsächlich bemerkenswert sind die Politikerinnen und Politiker aus Deutschland und der Welt, die neben der iranischen Exil-Präsidentin Platz nehmen und die ihr und ihrer Organisation ihre Unterstützung zusagen. Maryam Radjavi gilt dem Terror-Regime der iranischen Mullahs in Teheran als Staatsfeindin Nummer eins, schon allein deshalb die Geheimniskrämerei um ihr Erscheinen.
Dass der Kongress mehrere Tausend Anhänger des Nationalen Widerstandsrates (NWRI) anlocken würde, ist im Vorfeld bekannt gewesen. Der Widerstand gegen das Mullah-Regime ist seit Jahrzehnten bestens organisiert und gut vernetzt. Im Kern stützt er sich auf die Anhänger und Unterstützer der ehemaligen Volksmudschahedin, die von der EU, auch von den USA bis vor einigen Jahren noch als terroristische Organisation angesehen wurde.
Doch seit etliche Urteile internationaler Gerichte dem widersprochen haben – es ging nicht zuletzt auch um eingefrorene Konten – und seit der US-Geheimdienst CIA mutmaßlich die glänzenden Ortskenntnisse des Widerstandsrates zu schätzen weiß, hat sich einiges an der Wahrnehmung geändert. Es war der NWRI, der im Sommer 2002 zuerst Fotos der geheimen Atomanlagen in Iran veröffentlichte – und damit einen gewaltigen Stein ins Rollen brachte.
In Berlin also konnte sich die im Pariser Exil lebende Maryam Radjavi schon deshalb willkommen fühlen, weil sie in der deutschen Politik seit langem eine prominente Unterstützerin hat: Rita Süßmuth, CDU-Politikerin und ehemalige Präsidentin des Bundestages. Dass auch Horst Teltschik, ehemaliger Sicherheitsberater unter Bundeskanzler Kohl und ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP) und EU-Kommissar Günter Verheugen zu ihren Unterstützern zählen, dürfte jenen zu denken geben, die beim iranischen Widerstand immer noch Terrorverdacht wittern.
Der Internationale Frauentag hat es der Exil-Präsidentin leicht gemacht, einen Aufhänger für ihre frenetisch gefeierte Rede zu finden. Die seit 40 Jahren andauernde Herrschaft der Mullahs und die Unterdrückung der Frauen nennt sie die zwei Säulen des islamischen Fundamentalismus. Sie fordert Religionsfreiheit, einen aufgeklärten Islam und die Gleichstellung von Mann und Frau. Die Antwort auf den religiösen Fundamentalismus sei nicht die Ablehnung der Religion, sondern Toleranz. Das sind, aus der Sicht der derzeitigen Herrscher in Teheran, schon Gründe genug, sie mit dem Tod zu bedrohen. Aber vor allem, dass sie eine Frau ist, können die düsteren Geistlichen nicht verkraften.
Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung