Irans geistliches Oberhaupt kontrolliert ein milliardenschweres Firmenimperium. Ausgerechnet der Ajatollah wird dadurch nun besonders von den gelockerten Wirtschaftssanktionen profitieren. Von Steve Stecklow und Babak Dehghanpisheh
Der Iran hat vor wenigen Tagen als Teil des vorläufigen Atomabkommens die Anreicherung von Uran gedrosselt. Im Gegenzug lockerten die USA und die EU erste Sanktionen. Doch wer profitiert von den neuen Geschäftsmöglichkeiten? Einer der größten Nutznießer ist das geistliche Oberhaupt der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Khamenei. Der kontrolliert nämlich ein Firmenimperium mit einem Wert von knapp 100 Milliarden Dollar, wie Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters ergeben haben.
Khamenei gebietet damit über ein größeres Vermögen als der 1979 gestürzte Schah. Einen Hinweis, dass sich das geistliche Oberhaupt persönlich bereichert hätte, gibt es allerdings nicht. Setad-Firmen dürfen im Ausland tätig sein Seine kaum bekannte Organisation mit dem Namen Setad ist in fast allen Teilen der iranischen Wirtschaft präsent, ob in der Ölindustrie, im Finanzwesen, in der Herstellung von Verhütungsmitteln oder in der Straußenzucht. Das Imperium fußt auch auf der systematischen Beschlagnahmung des Eigentums iranischer Bürger – seien es religiöse Minderheiten, Schiiten, Geschäftsleute oder Exil-Iraner.
Das US-Finanzministerium veröffentlichte am Montag eine Liste von 14 petrochemischen Unternehmen, die nun wieder im Ausland tätig werden dürfen. Dazu gehören drei Firmen, die nach Angaben des Ministeriums vom Juni von Setad kontrolliert werden: Ghaed Bassir Petrochemical Products, Mardschan Petrochemical und Sadaf Petrochemical Assalujeh. US-Sanktionen gegen Setad erst sieben Monate alt Gegen sie und Setad hatten die USA vor sieben Monaten Sanktionen verhängt mit dem Hinweis, damit die iranische Führung treffen zu wollen. Ein Setad-Sprecher erklärte, die Organisation halte nur Anteile an Ghaed Bassir. "Unsere Investitionen in den petrochemischen Sektor sind minimal", hieß in einer E-Mail an Reuters.
Zwar fallen Stoffe wie Ammoniak, Methanol und Chlor nicht mehr unter die Sanktionen. Die Lockerung betrifft jedoch nicht Fertigprodukte wie Plastiktüten oder Reifen. Zudem dürfen US-Bürger und Unternehmen weiter nur eingeschränkt Handel mit dem Iran treiben. Iran kann keine langfristigen Verträge schließen Das internationale Zwischenabkommen sieht zunächst eine Lockerung der Strafmaßnahmen für sechs Monate vor. Das US-Finanzministerium geht davon aus, dass der Iran in dieser Zeit höchstens eine Milliarde Dollar an Umsatz durch Exporte im Öl verarbeitenden Sektor erzielen kann. Die tatsächliche Summe könnte deutlich darunter liegen, erklärte das Ministerium vor einigen Tagen, weil der Iran keine langfristigen Verträge schließen könne. Mit Setad verfügt Khamenei, der kraft Verfassung an der Spitze der Islamischen Republik steht, über eine sehr breite Machtbasis.
Der Name bedeutet ausgeschrieben und übersetzt "Hauptquartier zur Umsetzung des Befehls des Imams". Dies bezieht sich auf einen Erlass des ersten Oberhaupts, Ajatollah Ruhollah Khomeini, kurz vor seinem Tod 1989. Die Organisation sollte Grundstücke "ohne Besitzer" verwalten und verkaufen, die in den Wirren der Jahre nach der iranischen Revolution brachlagen. Einem der Gründer zufolge sollten die Gelder an die Armen gehen und die Organisation selbst nach zwei Jahren aufgelöst werden. Wert von Setad schwer zu schätzen Doch fast ein Vierteljahrhundert später kontrolliert Setad nicht nur Grundstücke, sondern hat auch Anteile an diversen Unternehmen. Zwar gibt es eine Stiftung. Setad hat Schulen, Straßen und Krankenhäuser gebaut und in verarmten Gebieten die Strom- und Wasserversorgung sichergestellt. Unklar ist jedoch, wie viel Geld die Stiftung erhält. Ohnehin ist der Wert von Setad schwer zu schätzen, da entsprechende Unterlagen geheim sind.
Das Parlament in Teheran erlegte sich 2008 selbst ein Verbot auf, Unternehmen zu überwachen, die dem geistlichen Oberhaupt unterstellt sind. Reuters listet Immobilien im Wert von 52 Milliarden Dollar und Firmenbeteiligungen in Höhe von 43 Milliarden Dollar auf. Grundlage dieser Zahlen sind Erklärungen von Setad-Mitarbeitern, Daten der Börse in Teheran, Firmen-Websites und Angaben des US-Finanzministeriums, das im Juni Sanktionen gegen Setad verhängte. Die Gesamtsumme von 95 Milliarden Dollar liegt etwa 40 Prozent über dem Wert der gesamten iranischen Ölexporte im vergangenen Jahr von 67 Milliarden Dollar. Khamenei zum Teil mächtiger als Khomeini Setad geht den Recherchen zufolge so vor, dass Grundstücke vor Gericht – oft genug fälschlicherweise – als verlassen deklariert werden. Die Organisation hat ein von der Justiz festgelegtes Monopol für die Übernahme von Immobilien im Namen des geistlichen Oberhaupts.
Die Grundstücke werden regelmäßig versteigert, oder es werden Zahlungen von den ursprünglichen Besitzern eingetrieben. Allein im Mai 2013 bot Setad mindestens 300 Immobilien zum Verkauf an, von denen viele Millionen von Dollar wert waren. "Es gibt keine Regulierungsbehörde, die ihren Besitz hinterfragen könnte", sagt der iranische Anwalt Naghi Mahmudi, der das Land 2010 verließ und nun in Deutschland wohnt. Der Ajatollah ist finanziell unabhängig Denn Khamenei ist die höchste Autorität im Iran. Er und nicht der Präsident legt beispielsweise die Grundlinien der iranischen Atompolitik fest. Die Mittel von Setad machen ihn darüber hinaus finanziell unabhängig vom Staatshaushalt und dem Parlament. Das dürfte ein Grund sein, warum Khamenei sich seit 24 Jahren an der Staatsspitze hält und warum er letztlich mehr Macht hat als sein Vorgänger Khomeini. Das iranische Präsidialamt und das Außenministerium nahmen zu den Angaben nicht Stellung. Die iranische Botschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten bezeichnete den Bericht als "völlig ohne Grundlage". Der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Setad, Hamid Waesi, erklärte, die Darstellung sei "weit von der Wirklichkeit entfernt und falsch". Reuters steht zu seiner Berichterstattung.