Irans Ölexporte lassen sich nicht schnell erhöhen

Der Erdölmarkt wird noch länger auf Iran warten. Aus der NZZ vom 30.11.13

Mit der Erleichterung der Sanktionen gegenüber Iran kam die Vermutung auf, der Erdölpreis würde fallen. Der schlechte Zustand der iranischen Erdölbranche spricht aber dagegen.

Die Vereinbarung vom vergangenen Sonntag zwischen Iran und den Vetomächten im Uno-Sicherheitsrat sowie Deutschland gilt als «historischer Durchbruch» im Streit um das iranische Atomprogramm. Und was machte der Erdölpreis am darauffolgenden Montag? Zunächst «das Richtige»: Er fiel. Noch am Montag machte die Erdölnotiz den Rückgang aber wieder wett und lag höher als in der Woche vor der Vereinbarung. Der Euphorie folgte wohl die Ernüchterung über das Zwischenabkommen, das vor allem keine Verschärfung der Sanktionen durch die USA und die EU in den kommenden sechs Monaten vorsieht. Der «Durchbruch» ist der erste Schritt in einem Prozess, der Diplomaten und Politikern Zeit gibt, ein langfristiges Abkommen zu schliessen.

Schwimmende Zwischenlager

Grössere Restriktionen für den iranischen Erdölsektor bleiben in Kraft, darunter Erschwernisse bei der Lieferung von Erdölprodukten nach Iran, bei langfristigen Investitionen in der Energiebranche sowie bei der Erhöhung der Rohölexporte. Das Weisse Haus verwies darauf , dass die iranischen Rohölexporte von 2,5 Mio. Fass täglich Anfang 2012 auf derzeit 1 Mio. Fass zurückgegangen seien. Diese Menge sollte in den nächsten Monaten beibehalten werden. Die EU verbietet weiterhin den Import von iranischem Erdöl.

Die Auswirkungen auf den Erdölpreis könnten jedoch – zumindest kurzfristig – auf den zweiten Blick doch stärker als erwartet ausfallen. Das politische Risiko wie beispielsweise die Sperrung der Strasse von Hormuz, einer Lebensader des internationalen Erdölhandels, durch Teheran verringert sich. Das Argument eines Preisauf- oder -abschlags aufgrund veränderter geopolitischer Risiken ist jedoch immer mit Vorsicht zu geniessen, weil es häufig herangezogen wird, wenn eine Erklärung der Preisbewegung schwerfällt. Von grösserer Bedeutung ist der Umstand, dass europäischen Versicherungsgesellschaften wieder erlaubt werden soll, Erdöllieferungen aus Iran abzusichern. Dadurch wird es für die vorwiegend asiatischen Importeure wieder leichter, Erdöl einzuführen. In der vergangenen Zeit waren vor allem China, Indien, Japan, Südkorea, Taiwan und die Türkei als Abnehmer iranischen Erdöls aufgetreten – dies mit der Zusage an die USA und an die EU, die Importe sukzessive zurückzufahren. Mit dem Abkommen in Genf kann zumindest die bisherige Menge beibehalten werden.

Ausserdem könnte die Aufhebung des Verbots für Versicherungsgeschäfte dazu führen, dass eingelagertes iranisches Erdöl schnell freigesetzt wird. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) befinden sich rund 37 Mio. Fass Erdöl in schwimmenden Zwischenlagern. Diese Volumina sind aber auch ein Zeichen dafür, dass Teheran erhebliche Schwierigkeiten hatte, das Rohöl zu verkaufen. Laut IEA sanken die Exporte von 1,26 Mio. Fass täglich im September auf 715 000 Fass im Oktober, trotz Preisnachlässen und erleichterten Zahlungsmodalitäten.

Somit erscheint die Möglichkeit, dass Iran mit zusätzlichen Mengen den Erdölpreis drücken wird, selbst auf den zweiten Blick als eher eingeschränkt. Eine dritte langfristige Betrachtung fällt gar noch negativer aus. Wie sehr das Land mit den viertgrössten Erdöl- und den grössten Erdgasreserven der Welt die Märkte beeinflusst, hängt nämlich auch vom Zustand der iranischen Erdölwirtschaft ab.

Vor den Sanktionen 2012 förderte Teheran rund 3,5 Mio. Fass täglich, zuletzt im Oktober 2,7 Mio. Fass. David Wech, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens JBC Energy, sagt, dass ab dem Zeitpunkt der Aufhebung der auf Erdöl bezogenen Sanktionen innerhalb von 3 bis 6 Monaten die Produktion auf rund 3,1 Mio. Fass täglich steigen könnte (vgl. Grafik). Für weitere Erhöhungen seien aber zusätzliche Investitionen notwendig. Wichtig dabei ist auch, wie die Erdölfelder aufgrund der geringeren Exporttätigkeit heruntergefahren wurden. Die Produktion kann nicht wie ein Wasserhahn auf- und zugedreht werden. Je nachdem, wie sorgfältig der Produktionsrückgang bewerkstelligt wurde, kann die Förderung unterschiedlich schnell fortgesetzt werden.

Eher der Irak als Libyen

In der vergangenen Zeit habe es zwei Modelle, den Irak und Libyen, gegeben, sagt der Leiter Exploration und Produktion eines grossen Rohwarenhändlers. Während die Erdölförderung in Libyen nach den Bürgerkriegswirren – zunächst – wieder schnell zugelegt habe, habe die irakische Erdölbranche mehr Zeit als erwartet benötigt, um wieder auf ansprechende Mengen zu kommen. Zwar dürfte in Iran die Produktion ohne Hast zurückgefahren worden sein, die iranischen Erdölfelder weisen aber eine hohe Rückgangsrate auf. Zudem sind häufig aufwendige Gasinjektionen notwendig, um wieder an das Erdöl zu gelangen.

Für eine starke Erhöhung der Förderung sind deshalb Kapital und Technik erforderlich. Ein für ausländische Unternehmen unattraktives Investitionsregime sowie die politischen Spannungen zwischen Teheran und dem Westen liessen die iranische Erdöl- und Erdgasindustrie stottern. Der Explorations- und Produktionsexperte vergleicht deshalb bei der Schnelligkeit der Förderzunahme Iran eher mit dem Irak als mit Libyen. Die Geologie Irans und Erfahrungen aus dem Irak mit Lizenzierungsverfahren sprächen dafür, dass erst nach drei bis fünf Jahren – ab dem Ende der Sanktionen – mit erhöhten Mengen zu rechnen sei.

Iran lockt zwar mit grossen Reserven. Die internationalen Erdölkonzerne akzeptieren derzeit aber offenbar nicht alle Forderungen, was auch der Rückzug westlicher Energieunternehmen aus dem Irak aufgrund ungünstiger Investitionsbedingungen zeigt. Teheran ist sich dieser prinzipiellen Probleme bewusst und hat einen früheren Erdölminister, der in der Branche angesehen ist, wieder mit dem Amt betraut.

Kurzfristig wird es auch im Verhältnis Irans zu den anderen Mitgliedern der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) zu keiner Veränderung aufgrund der Erleichterung der Sanktionen kommen. Am Opec-Treffen nächster Woche wird allgemein mit keiner Politikänderung gerechnet.